Grundsätzlich sind Orientteppiche ohne Datum so gut wie gar nicht exakt zu datieren, häufig können nur Herstellungszeiträume festgestellt werden und selbst bei datierten Exemplaren gibt es Schwierigkeiten.
Um das Alter eines Orientteppichs grob zu bestimmen, gibt es folgende Vorgehensweisen:
- Bestimmung der Herkunft
- Bestimmung durch das Datum
- Vergleich mit schriftlichen Aufzeichnungen
- Optischer Vergleich mit historischen Kunstobjekten
- Archäologische Datierung
- Naturwissenschaftliche Analyse von Material und Farben
- Betrachtung des Zustandes
Inhaltsverzeichnis
- 1 Methode 1: Bestimmung der Herkunft
- 2 Methode 2: Bestimmung durch das Datum
- 3 Methode 3: Vergleich mit schriftlichen Aufzeichnungen
- 4 Methode 4: Optischer Vergleich mit historischen Kunstobjekten
- 5 Methode 5: Archäologische Datierung
- 6 Methode 6: Naturwissenschaftliche Analyse von Material und Farben
- 7 Methode 7: Betrachtung des Zustandes
- 8 Weitere Datierungsmethoden
- 9 Einzelnachweise
Methode 1: Bestimmung der Herkunft
Viele Teppichtypen werden erst in neuerer Zeit in bestimmten Regionen der Welt hergestellt, so kann das Alter eines Teppichs bereits über seine Herkunft bestimmt werden:
In Pakistan begann die Orientteppich-Produktion erst nach dem Zweiten Weltkrieg, Orientteppiche aus Pakistan können also nicht aus der Zeit vor den 1940ern stammen. Dicke, schwere Orientteppiche aus Indien und China wurden ebenfalls erst im 20. Jahrhundert in großer Stückzahl produziert.
In der Wissenschaft heißt das Bestimmen der Herkunft eines Orientteppichs auch Provenienzieren.
Aus der gleichen Zeit stammen die persischen Qum-Teppiche, Taba-Tabriz-Teppiche und die Weißen Kashans, letztere wurden erst im Zuge der europäischen Nachfrage nach hellen Teppichen entwickelt[1].
Zusammenfassung: Ist die Herkunft bekannt, kann das Alter abgeschätzt werden.
Methode 2: Bestimmung durch das Datum
Orientteppiche sind im besten Fall datiert, dies gilt aber erst für Teppiche der frühen Neuzeit – davor waren Datierungen unüblich. Der Aradabil-Teppich aus dem 16. Jahrhundert ist der älteste datierte Orientteppich.
Finden Sie eine ältere Datierung vor, ist diese höchst wahrscheinlich falsch. Wenn ein Orientteppich ein eingeknüpftes Datum besitzt, so finden Sie dieses nach islamischer Zeitrechnung dargestellt.
Diese lässt sich wie folgend in den gregorianischen Kalender umrechnen:
Islamisches Jahr – 3 % + 622
Doch die eingeknüpften Datierungen auf Teppichen sind häufig unzuverlässig, ohne dass ein seltsam wirkendes Datum zwingend auf eine Fälschung verweist: Die meisten Teppichknüpfer waren häufig Analphabeten oder nur wenig gebildet, sie konnten ihre Schreibfehler selbst gar nicht erkennen.
So entstehen auch in originalen Teppichen spiegelverkehrte, verzogene oder schlicht falsche Daten. Bei älteren Orientteppichen wurden zudem häufig die Daten noch älterer Teppiche kopiert oder als schönes Ornament verwendet – diese Daten haben keine Aussagekraft.[4]
Auch durch Reparaturen kann das Datum verfälscht oder unleserlich werden, echte Fälschungen sind allerdings viel häufiger. Um ein falsches Datum einzufügen, werden ganze Teile des Teppichs neu gewebt. Dabei wird meistens die zweite arabische Ziffer von links gefälscht, wodurch der Teppich um fast hundert Jahre zurückdatiert werden kann.[1]
Mit einer Schwarzlichtlampe lässt sich leicht überprüfen, ob sich verschiedene Garnarten optisch voneinander abheben. Dieser Test ist nicht vollkommen sicher, denn gute Fälscher benutzen antike Garne zum Weben, wodurch der Unterschied geringer ausfällt.[4]
Auf legale Weise nachträglich eingefügte Daten können in der Tat verlässlicher sein – etwa wenn Orientteppiche durch Raubzüge, Spenden oder diplomatische Geschenke katalogisiert und archiviert wurden.
Zusammenfassung: An vielen Teppich finden sich Datierungen, die häufig nicht der Wahrheit entsprechen.
Mehr über das Thema haben wir hier geschrieben:
Methode 3: Vergleich mit schriftlichen Aufzeichnungen
Orientteppiche finden in frühen schriftlichen Aufzeichnungen im Nahen Osten keine große Erwähnung, da sie so alltäglich waren. In Europa waren sie dagegen etwas Besonderes und wurden zu wichtigen Anlässen verschenkt oder diplomatisch übersandt.
Daher gibt es in Europa Sammlerverzeichnisse und Archivlisten sowohl von Händlern als auch Endverbrauchern, in denen die Orientteppiche benannt und teils beschrieben werden. Inventarlisten finden sich besonders von Klöstern, Herrscherhäusern, teilweise Museen und vor allem auch Privatbesitzen.
Sie legen für die gelisteten Teppiche ein Mindestalter fest, ihre Beschreibungen sind jedoch für eine abschließende Datierung und Herkunftsbestimmung eines bestimmten Teppichs nicht detailreich genug. Die mitunter frühsten differenzierten Aufzeichnungen finden sich in Venedig ab dem frühen 14. Jahrhundert.
Venedig unterhielt Handelsbeziehungen zum Osmanischen Reich und nach Persien und die Händler sortierten ihre Teppiche grob nach Herkunftsort: Cagiarini waren Mamelukenteppiche aus Kairo, Damaschini Teppiche aus Damaskus, Barbareschi Teppiche aus Nordafrika, Rhodioti und Turcheschi stammten aus dem Osmanischen Reich und Teppiche des Kaukasus wurden Simiscasa genannt.[5]
Wie diese Teppiche aussahen, und welche Muster sie hatten, wurde nicht erwähnt. Ab dem 17. Jahrhundert stehen mehr Schriftquellen zur Verfügung, denn safawidische Teppiche gelangen gehäuft als diplomatische Geschenke nach Europa.
Zahlreiche Adelige begannen, die Orientteppiche direkt aus Isfahan oder Kashan zu bestellen, wo spezielle europäische Muster, beispielsweise Wappen, direkt in die Teppiche geknüpft wurden. Somit entstand eine größere Anzahl von Rechnungen für Teppiche und Reisekostenabrechnungen der Zwischenhändler.
Zusamenfassung: Historische Schriften können einen Anhaltspunkt liefern.
Methode 4: Optischer Vergleich mit historischen Kunstobjekten
Ein Problem dieser Methode ist, dass die islamische Kunst Teppiche anders darstellt, als sie zu jener Zeit geknüpft wurden. Lediglich einige Plastiken verschiedener Art eignen sich zum Vergleich. Aus diesem Grund werden für den optischen Vergleich vornehmlich europäische Maler herangezogen, die natürlich nur jene Teppicharten abbilden konnten, welche zu ihrer Zeit auch nach Europa gelangt waren.
Das bedeutet, dass diese Methode sich vornehmlich für anatolische Teppiche eignet und Nomadenteppiche beinahe völlig ausschließt. Ferner besteht eine zeitliche Einschränkung, da Gemälde mit Orientteppichen erst ab dem 17. Jahrhundert auftreten.
Gemäß dem Terminus ante quem muss ein auf einem Gemälde dargestellter Teppich mindestens so alt sein, wie das ihn darstellende Gemälde. Erstmals systematisch genutzt wurde dieses Prinzip im 1871 von Julius Lessing veröffentlichtem Buch „Altorientalische Teppichmuster“.
Diese Methodik der Datierung wurde von der „Berliner Schule“ um Wilhelm von Bode fortgeführt. Beispiele für die Anwendung des Prinzips sind die bekannten Lotto- und Holbein-Teppiche, jeweils nach bekannten Renaissancemalern benannt. Hans Holbein porträtierte beispielsweise den englischen König Henry VIII, welcher zahlreiche anatolische Teppiche besessen haben soll.
Zusammenfassung: Zur Identifikation werden unter anderem Gemälde verwendet.
Methode 5: Archäologische Datierung
In der Archäologie stellt die Stratigraphie die wichtigste Datierungsmethode dar. Anhand der verschiedenen Erdschichten kann eine relative Datierung für die in einer solchen Schicht gefundenen Objekte vorgenommen werden. Vergleichsfunde unterstützen diese Methode.
Beifunde, wie Dokumente, datierte Keramik oder Plastiken und andere genauer zu datierende Objekte helfen auch bei der Datierung am gleichen Ort in der gleichen Schicht vorgefundener Teppichreste. Aufgrund ihrer materialen Beschaffenheit sind archäologische Funde von Teppichen jedoch die absolute Ausnahme.
Zusammenfassung: Mittels Erdproben an der Fundstelle kann in seltenen Fällen eine ungefähre Datierung erfolgen.
Methode 6: Naturwissenschaftliche Analyse von Material und Farben
Durch die Entwicklung von Spektroskopie, Chromatographie und Radiocarbonmethode wurde die Analyse und Altersbestimmung von organischen Materialien enorm verbessert. Spektroskopie und Chromatographie helfen bei der Farbbestimmung. Sie können natürliche Farben durch den Vergleich von Pigmenten nachweisen und spezielle Pigmente sogar ihren Herkunftsregionen zuordnen.
Die abgetragene Erscheinung natürlicher Farben weist auf natürliches Altern hin, synthetische Farben sind dagegen nicht nur leuchtender, sondern auch robuster, daher verbreiteten sie sich rasend im Orient. Spektroskopie und Chromatographie können bereits Indigosulfonsäure feststellen, mit der frühestens in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts gefärbt werden konnte.
Werden weitere synthetische Farben in einem Teppich nachgewiesen, entstand er frühestens nach der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Die Radiokarbonmethode ist für die Bestimmung antiker Teppiche besonders geeignet, denn bei Materialien nach dem 13. Jahrhundert treten erhebliche Ungenauigkeiten auf. Alle naturwissenschaftlichen Analysen sind sehr teuer und aufwendig, weshalb sie nur in besonderen Fällen zur Verfügung stehen.
Manchmal gibt es Alternativen, so können Sie etwa den Taschentuchtest durchführen: Bereiben Sie einen mit Anilinfarben gefärbten Teppich mit einem Taschentuch, entsteht ein unangenehmer Geruch. Diese Teppiche sind stets auf die 1860er bis 1870er Jahre zu datieren. Obwohl die naturwissenschaftlichen Analysen grundsätzlich genau sind, lassen sie sich aushebeln – Fälscher rebeln alte Flachwebereien auf und nutzen die längeren Fäden des Altgarns zum Knotenersatz oder zum Neuweben eines Teppichs, davon lassen sich naturwissenschaftliche Analysemethoden täuschen.[1]
Zusammenfassung: Moderne naturwissenschaftliche Methoden helfen dabei, Farben und Material zu untersuchen und zu datieren.
Methode 7: Betrachtung des Zustandes
Je früher ein Teppich geknüpft wurde, desto mehr Abnutzungs- und Restaurierungsspuren sind zu erwarten. Neue Teppiche fühlen sich auf der Rückseite noch fusselig an, doch egal wie gut ein Teppich gepflegt wird – im Alter reibt sich die Unterseite ab, wird weniger haarig, sandig und schließlich glatt. Teilweise erhält das Garn eine glänzende, polierte Erscheinung.[2]
Auf der Rückseite sind auch mögliche Schäden am besten zu erkennen. Ein Teppich völlig ohne Abnutzung, Löcher oder geschliffene Ränder kann nicht antik sein.[3] Seidenfasern sind dabei viel empfindlicher als Wolle, sie nutzen sich schneller ab und können daher auch schnell viel älter aussehen, als Wollteppiche gleichen Alters.
Auch hier spielt die Farbe eine Rolle – Luft- und Lichteinwirkung führen dazu, dass die Spitzen der geknüpften Fasern ausbleichen. Wenn Sie den Flor aufschlagen und die Grenze zwischen ausgebleichter Spitze und originalfarbigem Boden nicht verläuft, sondern genau in der Mitte ist, wurde der Teppich künstlich gealtert.[1]
Zusammenfassung: Über den Zustand des Teppichs kann eine näherungsweise Schätzung des Alters erfolgen.
Weitere Datierungsmethoden
Weitere Datierungsmethoden, wie die Feststellung von fehlerhaften Stilelementen, materialen Grundlagen oder Qualität in Bezug auf das vorgeschlagene Alter benötigen tiefgehende Expertise. So wird bei Nomaden- und Dorfteppichen erst seit den 1930ern Baumwolle als Grundlage verwendet, was die Wollkette seitdem verdrängte.
Die verschiedenen Stilvarianten können mittels der Encyclopedia of Persian Carpet Patterns von Takatoshi Misugi[6] oder durch die für 2015 angekündigte Enzyklopädie Persischer Teppiche – deren englische oder deutsche Variante noch aussteht – erlernt werden. Im Zweifelsfall sollten Sie sich immer an einen Experten wenden.
Einzelnachweise
- http://www.rugs-oriental.net/antique-oriental-rug.html
- https://nazmiyalantiquerugs.com/resources/guide/all-the-questions/how-to-determine-the-age-of-a-rug/
- http://homeguides.sfgate.com/tell-age-persian-carpet-63105.html
- http://navajorugrepair.com/rugdates.htm
- http://www.turkotek.com/old_masters/salon.html
- https://www.amazon.com/Encyclopedia-Persian-Patterns-English-Japanese/dp/4760106588