Das Teppichknüpfen ist eines der ältesten Handwerke. Die Herstellung von Orientteppichen erfolgt in weiten Teilen immer noch wie vor Jahrhunderten…
Teppiche jeder Art gehören zu den Geweben – Textilien, die auf einem Webstuhl hergestellt werden. Dazu gibt es zwei grundlegende Begriffe:
Die Kette
Die „Kette“, früher auch „Werft“, sind die vertikal in den Webstuhl gespannten Fäden. Mit ihnen wird das Grundmaß des gewünschten Teppichs in der Breite festgelegt. In der Länge werden die Kettfäden von Garnkarten oder Kardenbändern herunter gewebt.
Dazu werden die Kettfäden in den Kettbaum gewickelt, der selbst im Webstuhl arretiert wird. Beim Aufbäumen der Kette liegen die Fäden nun abwechselnd oberhalb und unterhalb einer zentralen Ebene, auf welcher der Teppich gewebt wird.
Häufig besteht die Kette aus einem weniger hochwertigen Material, als der übrige Teppich, da sie kaum sichtbar ist. Das Material muss allerdings strapazierfähig sein, da die parallel zur Webkante liegende Kette das gesamte Gewebe trägt.
Der Schuss
Der Schuss oder Einschlag bezeichnet das auf verschiedene Weisen im rechten Winkel zu den Kettfäden verwebte Garn, das mit einem Schiffchen oder von Hand geführt wird.
Durch die Verkreuzung von Schussfaden und Kettfaden entsteht die feste Bindung des Grundgewebes. Bei Flachgeweben ist der Schuss das sichtbare, mustertragende Element. Seine Gleichmäßigkeit bestimmt die Gewebefeinheit, die mit einem Fadenzähler beurteilt wird.
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Flortextilien
Nur bei Flortextilien gibt es eine dritte Fadengruppe: Der Flor verläuft senkrecht zur Oberfläche des Grundgewebes. Velours, Samt, Plüsch und Knüpfteppiche fallen in diese Kategorie.
Der Florfaden wird Knoten um Knoten in das Grundgewebe gebunden, jeder Knotenreihe folgen ein- bis zwei Schussfäden. So entstehen Flormaschen, die später aufgeschnitten werden.
Danach sieht der Teppich noch roh aus – mit einem Teppichschermesser wird der Flor auf die gewünschte Länge gekürzt, erst dann tritt das eigentliche Muster hervor. Je kürzer der Flor geschoren wird, desto deutlicher das Muster.
Die Qualität wird durch die Knotenzahl pro Fläche, die Knotendichte, definiert: Je höher sie ist, desto höher ist die Feinheit des Teppichs. Fertig geknüpft werden die Schussfäden des Teppichs als Kelim verknüpft oder es werden Sicherheitsfäden angebracht, um ein Aufrebeln zu verhindern.
Das Knüpfen
Es gibt zwei prägende Knotenvarianten: Zum einen den „türkischen“ symmetrischen Knoten, bei dem beide Enden des Knotenfadens nach oben ragen und den Flor bilden – er verbraucht viel Wolle. Zum anderen den „persischen“ asymmetrischen Knoten, bei dem nur ein Ende zwischen den Kettfäden herausragt.
Ragt er links oder rechts des Kettfadens hervor, wird dies entsprechend links- oder rechtsöffnend genannt. Um welche Variante es sich handelt, kann durch den Strich des Teppichs festgestellt werden.
Die regionalen Bezeichnungen sind irreführende Traditionen, da beide Knotenvarianten im ganzen Teppichgürtel vorkommen.
Ferner gibt es folgende seltenere Knotenvarianten:
- Dschuftiknoten: Um Material zu sparen, werden bei dieser Variante vier statt zwei Kettfäden umfasst, entweder mit symmetrischen oder asymmetrischen Knoten. Der weniger dichte Flor ist leider auch weniger widerstandsfähig.
- Einzelknoten: Diese Variante gehört zu den ältesten Knotenvarianten, sie ist aus spanischen und koptischen Teppichen bekannt. Es wird immer nur ein Kettfaden umfasst.
- Ungleichmäßige Knoten: Beim Knüpfen werden Kettfäden ausgelassen oder abwechselnd unterschiedlich viele Kettfäden umfasst und mit Einzelknoten unterbrochen. Dies ist vor allem für turkmenische Teppiche typisch und sorgt entgegen der Erwartung für eine regelmäßige Struktur des Teppichs.
- Versetzte Knoten: Dabei handelt es sich um symmetrische Einzelknoten, die Reihe um Reihe alternierende Kettfäden umfassen. Dies erleichtert die Herstellung farbiger, diagonaler oder verwinkelter Muster. Versetzte Knoten finden sich typischerweise in kurdischen und turkmenischen Teppichen.
Die Webstühle
Der Webstuhl ist grundsätzlich ein einfaches Konstrukt, das auf einen Rahmen aus vier Holzstäben, der auf ein Gestell gesetzt wird, reduziert werden kann. Er wurde immer weiter verfeinert, um die Arbeit zu erleichtern und eine größere Vielfalt an Formaten zu erlangen.
Der Abstand zwischen den Querbalken des Webstuhls bestimmt die Breite des Teppichs. Dies ist von den Kettfäden unabhängig, deren Anzahl stattdessen die Dichte des Teppichs bestimmt. Die meisten Webstühle beschränken das mögliche Format durch ihre Länge, so keine Walzen verwendet werden.
Der horizontale Webstuhl
Da Nomaden mobil bleiben müssen, verwenden sie die leichten horizontalen Webstühle: Vier in den Boden gestemmte Pflöcke mit zwei Querbalken zum Spannen der Kettfäden, die nur selten Kerben zum Einspannen besitzen. Sie lassen sich bei Bedarf samt dem Gewebe zusammenfalten und neu aufbauen.
Sesshafte Nomaden montieren ihre Webstühle fest, sodass sie mehrere Personen gleichzeitig bedienen können. In beiden Fällen ist die Größe nicht verstellbar, der Teppich wird maximal so lang, wie der Webstuhl selbst.
Der vertikale Webstuhl
Der vertikale Webstuhl ist nicht nur stabiler, er bietet auch größere Formate. Seine Grundform besitzt zwei feste Querbäume, welche die Länge des Formats vorgeben. Der Vorteil besteht darin, dass sich die Arbeitshöhe der Weber kaum noch ändert. Zwischen drei Arten wird unterschieden:
- In den ländlichen Gebieten des frühen Persiens und der Türkei existieren bis heute Dorfwebstühle, deren oberer Balken fixiert ist. Der mit Schlitzen ausgestattete untere Balken wird am Seitenbalken befestigt, der selbst Kerben zur Spannung der Kettfäden besitzt. Durch eine Planke folgen die Weber dem Fortschritt des Gewebes, das nicht größer als der Webstuhl selbst sein kann.
- Der in der Stadt Täbris entwickelte Webstuhl besitzt fortlaufende Kettfäden, die durch Keile gespannt werden. Ist ein Abschnitt fertig gewebt, werden die Keile gelockert und das Gewebe wird oberhalb des Webstuhls nach hinten weggezogen. So kann die Position des Webers unverändert bleiben, das Gewebe wird aber maximal doppelt so lang, wie der Webstuhl hoch ist.
- Der Rollbalken-Webstuhl wurde mit Beginn der semi-industriellen Produktion zum häufigsten Webstuhl. Beide Querbalken sind beweglich, dadurch können die oberen Kettfäden von Karten, Kardenbändern und sogar Garnwalzen herabgewebt und unten aufgewickelt werden. Dadurch störte das fertige Gewebe nicht mehr bei der Arbeit und es wurde möglich, Teppiche beliebiger Länge zu knüpfen.
Material und Farben
Schafswolle war für die Produktion der Orientteppiche von großer Bedeutung, auch wenn regional andere Wollarten zusätzlich verwendet wurden. Das Alter des Schafs, die Schurzeit und die klimatischen Verhältnisse beeinflussen die Wollqualität – für Orientteppiche die Wolle von Hochlandschafen am besten geeignet.
Um späteres Verfilzen zu vermeiden, darf die für den Teppich gedachte Wolle beim Waschen nur geringfügig mechanisch belastet werden. Bis zur Industriellen Revolution wurde die Rohwolle ferner von Hand versponnen, wodurch im Garn Maserungen entstanden, die heute bei der Datierung antiker Orientteppiche helfen.
Seidenteppiche
Teppiche aus Seide wurden zunächst nur in Ostasien – in den Ursprungsländern China und Korea als – hergestellt, breiteten sich aber auch im Nahen Osten aus. In Ostasien existieren reine Seidenteppiche, im Nahen Osten wird dagegen meist nur der Flor aus Seide geknüpft. Eine Ausnahme sind die persischen Isfahan-Teppiche und die türkischen Hereke-Teppiche. Seide ist zwar teuer, aber auch hochwertig und reißfest. Reine Seidenteppiche sind zudem von hoher Feinheit und Knotendichte geprägt.
Baumwoll-Teppiche
Teppiche aus Baumwolle waren außerhalb Indiens zunächst selten. Lange Zeit war das Spinnen haltbarer Baumwollfäden außerhalb Indiens unmöglich, erst die Spinnmaschinen der Industriellen Revolution machten Baumwollgarne nicht nur verfügbarer, sondern auch günstiger als Wolle. Es gibt vier Arten von Baumwolle, zwei in der Alten und zwei in der Neuen Welt. Für die Teppichknüpferei war Gossypium herbaceum – die Levante-Baumwolle – relevant. Sie wurde wohl im 2. Jahrtausend v. Chr. in Arabien und Syrien domestiziert und dann nach Mesopotamien und Ägypten eingeführt.
Hochland-Baumwolle
Seit der Einführung der langfaserigen, amerikanischen Hochland-Baumwolle (Gossypium barbadense) spielt sie aber kaum noch eine Rolle. Da Baumwollflor nur eine geringfügige Haltbarkeit mit hoher Verschmutzungsanfälligkeit besitzt, wird Baumwolle fast nur für das Grundgewebe eingesetzt – dort hat die Baumwolle die Tierwolle allerdings fast vollständig verdrängt.
Geschichte der Färbekunst
Die Färbekunst ist noch älter als das Knüpfhandwerk. Im Teppichgürtel wurden Wolle und Seide mit Naturfarben gefärbt, das wirkte harmonischer, als die grellen synthetischen Farben. Die dominante Farbe des Orients war Rot, das das meistens aus den Wurzeln der Färberkrapppflanze gewonnen wurde. Mit Aluminiumsalzen oder Eisensalzen konnte man weitere hellrote oder violette und braune Töne beizen. Cochenilleschildläuse ersetzten die bereits in der Antike ausgerottete syrische Purpurschnecke zur Erzeugung der edlen Farbe. Kurkuma, Kamille, Granatapfelschalen erzeugten Gelb, Safran Orange. Blaue Töne sind für die Datierung relevant, da sie bis um 16. Jahrhundert nur mit dem teuren Indigo gefärbt werden konnten – danach wurde das Campecheholz eingeführt.
Synthetische Farbstoffe
Da Naturfarben nicht immer den exakt gleichen Farbton ergeben, findet sich bei mit Naturfarben gefärbten Orientteppichen der Abrasch – die horizontale Farbveränderung – sie ist ein Garant für echte Naturfarben und Handknüpfung.
Mit der Entwicklung von Indigosulfansäure und Anilinfarbe Anfang des 19. Jahrhunderts wurden synthetische Farben eingeführt. Sie waren viel preiswerter und intensiver als Naturfarben. Später folgten Azofarbstoffe, Fuchsin, Malachitgrün und viele andere, doch ihnen allen war gemein, dass die Fasern schädigten und schnell ausbleichten.
Zum Schutz seines Hauptexportproduktes verbot der persische Schah im Jahr 1900 diese Farbstoffe sogar. Doch mit Verbesserung der synthetischen Farben verdrängten sie aufgrund geringerer Produktionskosten die Naturfarben rasch und umfassend.
Die moderne maschinelle Herstellung
Seit der Industriellen Revolution wurde die Rohwolle maschinell versponnen. Vollständig maschinell erzeugte Orientteppiche wurden häufiger. Ihre Qualität ist mit handgeknüpften Exemplaren gleichwertig, sie sind häufig sogar robuster, doch es fehlt ihnen an künstlerischer Inspiration. Durch die Automatisierung des Webstuhls im 19. Jahrhundert konnte England als eines der ersten Länder Orientteppiche maschinell nachahmen.
Von unzähligen Garnrollen wurden auf mechanischen Webstühlen in kürzester Zeit vorgegebene Muster, Größen und Formate eingestellt, ohne weitere Einschränkungen. Grenzen gab es nur bei den Farben, denn mehr als acht bis zehn waren selten möglich. Verschiedene Farbgarne wurden zur Nuancierung miteinander verwebt, so etwas kommt bei handgeknüpften Teppichen nicht vor. Ferner sind auch Kunstfasern und synthetische Fasern bei handgeknüpften Teppichen eher ungewöhnlich.[2]
Auch die Fransen erlauben eine Unterscheidung – bei handgeknüpften Teppichen handelt es sich um die Enden der Kettfäden, bei maschinell gefertigten Teppichen werden Fransen gesondert angenäht.[3] Anstelle von Messern und Scheren werden die fertigen Teppiche mit Maschinen geschoren, die lose Fasern sogleich absaugen und zudem Reliefeffekte erzeugen können.
Der Abschluss
Zum Abschluss der Teppichherstellung, sei sie manuell oder maschinell, werden die Teppiche gewaschen – lose Fasern und überschüssige Farbe werden ausgespült, der Orientteppich gegen Schmutz und Schädlinge unempfindlicher. Zuletzt können bei der Waschung weitere Farbeffekte kreiert werden – danach ist er Orientteppich fertig.
Quellen:
- Murray L. Eiland jr., Muray Eiland III: Oriental Rugs – A Complete Guide. Callmann & King Ltd., London, 1998. S. 35-38
- https://www.rugvista.de/blog/54/maschinengewebt-gegen-handgeknupft
- https://www.alleszumteppich.de/maschinell-geknupfte-teppiche